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Radetzkymarsch, 2018

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert.

Wenn im Musikverein am 1. Jänner am Ende des Neujahrskonzerts der schmissige Radetzkymarsch erklingt, dann sind die Klänge ein passender Gruß ans Jahr 2018. Denn der Radetzkymarsch ruft Assoziationen an Joseph Roths gleichnamigen Donaumonarchie-Untergangs-Roman "Radetzkymarsch" aus dem Jahr 1932 wach. Der Monarchie-Nostalgiker Roth verteufelt in seinem Roman den Nationalismus, spart aber nicht mit Häme am greisen Kaiser und der morschen Aristokratie und Verwaltung (am 6. Jänner bringt das Burgtheater das Werk demnächst wieder auf die Bühne).

Im November wird der Kollaps Österreich-Ungarns 100 Jahre zurückliegen, das Jahr 2018 lädt also zur Reflexion ein. Wenn man den Vielvölkerstaat als Chiffre für die Europäische Union liest, dann ist der November 1918 eine Mahnung: Die Arroganz des Hauses Habsburg, Nationalismus und Hurra-Patriotismus waren die Hauptgründe für den Untergang. Eine von mit halsbrecherischer Geschwindigkeit vonstattengehenden Veränderungen verunsicherte, aber gleichzeitig gelangweilte, nach Nervenkitzel dürstende Bürgerschaft ist lemmingsgleich brav mitmarschiert. Und vor bald 80 Jahren, im März 1938, hat niemand in Österreich sich Adolf Hitler in den Weg gestellt. Die jubelnden Massen am Wiener Heldenplatz, die Hitler angehimmelt haben, sind bis heute ein Schandmal für die Republik. Doch wie steht die Republik im Jahr 2018 da? Aus dem "Rest", wie der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau bei den Friedensverhandlungen im Pariser Vorort St. Germain Österreich bezeichnete ("L’Autriche, c’est ce qui reste" - "Österreich ist, was übrig bleibt"), ist eine ziemliche Erfolgsgeschichte geworden. Das Land ist eines der wohlhabendsten, lebenswertesten Flecken auf unserem Planeten. Aber: Die kritische Intelligenz des Landes begegnet der seit kurzem im Amt befindlichen Regierung mit erheblichem Misstrauen - zum Teil nicht ohne Grund. Zudem sind einige der heutigen Regierungsvertreter im Wahlkampf nicht gerade durch Zuversicht, Optimismus oder "Wir schaffen das"-Selbstbewusstsein aufgefallen. Aber wie soll eine Regierung so die Zukunft meistern? "Mutig in die neuen Zeiten" heißt es in der dritten Strophe der österreichischen Bundeshymne. Ein gutes Motto fürs neue Jahr. Denn es ist auch 2018 viel zu tun. Packen wir’s an.

Prosit Neujahr!