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Wenderl

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Für Menschen, die noch unerfahren mit der besonderen Prosa der Innenpolitik sind und die sich trotzdem über die Bewertung des ersten türkis-blauen Budgetentwurfs informieren wollen, empfiehlt es sich, die Schlagwörter nicht wortwörtlich zu nehmen. Schließlich wurde von himmelhoch jauchzend bis zur abgrundtiefen Verdammnis keine Stufe der nach oben wie unten offenen Skala des innerösterreichischen Jubel- und Empörungsbetriebs ausgelassen. Der Übertreibungstradition des Barocks entkommt man eben nicht so einfach.

Zwischen "Offenbarungseid" (Volkshilfe), "weder ehrlich noch nachhaltig" und "Nullnummer" (Neos) sowie der rhetorischen Höchststrafe für aktive Finanzminister, den "KHG-Anerkennungspreis" (SPÖ), war den Kritikern kein Sprachbild zu düster.

Die Aufgabe von ÖVP und FPÖ war dagegen herausfordernder, schließlich gilt noch heute, was einmal jedes Kind wusste, dass nämlich mit Selbstlob wenig zu gewinnen ist.

Also sprach Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) vom Beginn "einer guten Zeit" in Bezug auf sein eigenes und erstes Budget und der Vorarlberger Landeshauptmann vom Nulldefizit als "wegweisenden Schritt", ansonsten fielen von ÖVP und FPÖ ganz oft die Worte "nachhaltig" und "langfristig", zwei Begriffe, die sich unter Regierungspolitikern aller Couleurs großer Beliebtheit erfreuen.

Im Kern bleibt folgende erste Zwischenbilanz nach beinahe hundert Tagen der Koalition, und diese ist so überraschungsfrei wie naheliegend: Eine Mitte-rechts-Regierung setzt erste, zögerliche Schritte für eine Mitte-rechts-Politik. Zu deren traditionellen Zielen gehören Nulldefizit, die Entlastung von Unternehmen, die Förderung von Familien sowie die Bevorzugung von Arbeitenden gegenüber Beihilfenbeziehern in vielerlei Gestalt.

Dass die Gegner von Mitte-Rechts es genau umgekehrt machen würden, entspricht der gesunden Logik eines politischen Wettbewerbs, wie er Österreich viel zu lange gefehlt hat.

Wie unsicher sich sogar diese Regierung über ihren eigenen Wählerauftrag ist, zeigt nicht die harsche Kritik der Opposition, sondern der Umstand, dass auf markantere Weichenstellungen beim Doppelbudget verzichtet wurde: Die Abschaffung kalten Progression, die Einführung einer Schuldenbremse oder auch die nachhaltige Absicherung der Pensionen wurden in die Zukunft verschoben. Die beste Ausrede ist, dass es dazu auch eines Umbaus der Staatsstrukturen bedürfe, ein solcher aber in hundert Tagen beim besten Willen nicht zu schaffen ist. Das wäre dann eine richtige Wende vom bisherigen Kurs.

Die wirkliche Bewährung für Sebastian Kurz und seine Bundesregierung steht somit weiter aus.