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Nato-Sorgen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Gute Europäer tragen keine Uniform. Stattdessen sorgen sie sich um die Moral in der Welt. Und in Wahrheit fühlen sie sich längst bereit, die Nachfolge als diese "Shining City Upon a Hill", als leuchtendes Vorbild für den Rest der ganzen Welt, anzutreten, als das sich die USA seit ihrer Gründung betrachten. Quasi eine Staffelübergabe von Union zu Union.

Wenn da nur nicht zwei kleine Fakten wären, die diese Selbsterhöhung der Europäer so hartnäckig stören: Zum einen gäbe es keine Europäische Union in ihrer heutigen Form und mit ihrem heutigen Wohlstand ohne den militärischen Schutzschirm der USA über den Umweg der Nato. Zum anderen ist die EU noch immer nicht in der Lage, für ihre eigene Sicherheit zu sorgen. Und zwar weder militärisch noch finanziell noch politisch.

Das ist die traurige Wahrheit pünktlich zum Nato-Gipfel, zu dem auch US-Präsident Donald Trump anreist; dem kann sich auch ein neutrales Land wie Österreich nicht entziehen, das relativ noch viel weniger für seine eigene Sicherheit aufkommt.

Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Weder die EU noch ihre 28 Mitgliedstaaten sind - politisch und mental - bereit, an dieser Situation irgendetwas Substanzielles zu verändern. Weil, wie gesagt: Gute Europäer sehen sich nicht in Uniform.

Dass die USA einen angemessenen militärischen und finanziellen Beitrag der Europäer zur Nato einfordern, ist so selbstverständlich wie nachvollziehbar. Gleichzeitig jedoch können die USA kein Interesse haben, dass die EU ihre eigenen militärischen Kapazitäten aufbaut und sich auf diese Weise schrittweise von den USA emanzipiert. Die Nato schützt nicht nur Europa, das transatlantische Bündnis macht auch seine Führungsmacht, die USA, einflussreicher, als wenn diese allein stehen würde. Es ist also beileibe nicht so, dass die USA am liebsten die Europäer sich selbst überlassen würden.

Da trifft es sich hervorragend, dass auch die Europäer nicht allein auf sich gestellt sein wollen. Ein militärisch und sicherheitspolitisch souveränes Europa ist heute und morgen so unwahrscheinlich wie in den Jahrzehnten des Kalten Krieges.

Dass es trotzdem ehrgeizige Ziele für den Aufbau einer eigenständigen militärischen EU-Sicherheitsstruktur gibt, ist dazu kein Widerspruch. Die EU hat eine Kunst daraus gemacht, mit dem Unterschied zwischen Sein und Schein, zwischen Wollen und Können im Alltag ein gedeihliches Auskommen zu finden.

Man sollte sich die Welt nicht wider besseres Wissen schönreden. Aber wenn das Auftauchen von Donald Trump auf der Weltbühne einen Vorteil haben sollte, dann den, dass zumindest einige Lebenslügen der EU für alle gut sichtbar auf dem Tisch liegen. Trotzdem ist zu hoffen, dass die Nato nicht dran zerbricht.