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Facebook-Gesichtsverlust

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg steckt einmal mehr im Schlamassel: In einem Interview mit dem amerikanischen Technikblog "Recode" fragte dessen Mitgründerin Kara Swisher Facebook-Chef Zuckerberg, wie es sein kann, dass Facebook nach eigenen Angaben die Verbreitung falscher Informationen auf der Plattform bekämpfe, aber Verschwörungsinhalte nicht verhindert würden. Zuckerberg versuchte, Facebooks Position näher auszuführen - und wählte dafür das Beispiel der Holocaust-Leugner. Es gebe Leute, die in Zweifel ziehen, dass der Holocaust passiert ist. Zuckerberg - der selbst Jude ist - findet das beleidigend. "Aber letztlich glaube ich nicht, dass unsere Plattform das entfernen sollte, weil ich denke, dass verschiedene Leute bei manchen Dingen falsch liegen", sagte Zuckerberg und fügte hinzu: "Ich glaube nicht, dass sie absichtlich falsch liegen."

Und wenn doch? Es sei eben schwierig, die Absicht in Zweifel zu ziehen und zu verstehen.

Nach einer Welle der Kritik ergänzte der Facebook-Gründer: "Ich persönlich finde die Leugnung des Holocausts zutiefst beleidigend, und ich wollte absolut nicht die Absicht von Leuten verteidigen, die das leugnen."

Die absolute rote Linie sei für Facebook, wenn ein Posting zu Gewalt oder Hass gegen einzelne Gruppen aufruft. Solche Postings würden sofort entfernt. Doch mit diesem Ansatz stiehlt Facebook sich einmal mehr aus der Verantwortung: Warum ist etwa die "Wiener Zeitung" dafür verantwortlich, dass veröffentlichte Gastbeiträge und Leserzuschriften weder gegen das Medienrecht und erst recht nicht gegen das Strafrecht verstoßen? Für redaktionelle Beiträge gelten übrigens noch strengere redaktionelle Sorgfalts- und Objektivitätsgebote.

Facebook sieht sich aber nicht als Medium, sondern als eine Art Telekom - die ja auch keine Kontrolle darüber hat, welche Bits & Bytes durch ihre Glasfaserkabel rauschen. Doch da irrt Facebook. Der Internet-Gigant mit Sitz in Menlo Park, Kalifornien, stellt digitalen Raum für Debatten zur Verfügung, und der Gastgeber ist für die Atmosphäre seines Etablissements verantwortlich und hat auch dafür zu sorgen, dass ein Klima herrscht, in dem herumpöbelnde User, oder solche, die gegen die guten Sitten und Regeln des Anstands verstoßen, oder überprüfbar die Unwahrheit verbreiten, kein Gehör finden. Aus Facebook ist leider in vielen Bereichen ein Wildwest-Saloon geworden, in dem verbal wie wild drauflosgeballert wird - dafür sind Zuckerberg und sein Team verantwortlich. Aber vielleicht sind die weit verbreiteten pennälerhaften Sitten auf der Seite ja Teil der DNA dieses Unternehmens? Schließlich begann die Geschichte von Facebook als Facemesh. Auf dieser Plattform konnten Harvard-Studenten darüber abstimmen, welche Mitstudentin sexy ist und welche nicht.